Energie ist eine abstrakte Grösse, ihr Wert ist nicht unmittelbar erfahrbar. Darum trägt kaum jemand Sorge zu ihr. Ihre konkreten «Ausformungen» werden hingegen gerne konsumiert und gelten als unverzichtbar: Musik, Fernsehen, Essen, Licht, Wärme, Behaglichkeit, Wohl­fühlen. Der Ruf zum sparsameren Umgang mit Energie wird deshalb gleich­ gesetzt mit dem Appell für einen – wenig­stens teilweisen – Verzicht auf diese positiv empfundenen Errungenschaften des komfortablen Lebens.

Energiesparen ist unsexy. Es verheisst Enthaltsamkeit, Einschränkung, Freudlosigkeit. Energie wird deshalb nur dann gespart, wenn es sich auszahlt. Eine Verteuerung der Energie im Sinne einer Lenkungsabgabe könnte tatsächlich Auswirkungen auf den privaten Konsum haben. Doch eine entsprechende Len­kungsabgabe ist derzeit politisch kaum umsetzbar.

Fazit: Die «positiven» Folgen der Energieverschwendung – stimmungs­ volles Licht, angenehme Wärme, Musik in jedem Raum und Verwöhnschaumvoll­ bäder – zahlen sich für den Verschwender aus, ohne dass er angeprangert wird, denn seine Verschwendung ist nicht sichtbar. Die negativen (ökologischen) Folgen seiner Verschwendung hingegen werden vergesellschaftet, denn sie betreffen alle.

Sind deshalb alle Anstrengungen zur Änderung des Bewusstseins, der Haltung und damit zum Verhalten der Menschen gegenüber dem Energie­ konsum verlorene Liebesmüh? Sicher nicht. Zu diesem Schluss kommt man nach der Lektüre einer Studie des Nationalen Forschungsprogramms «Steuerung des Energieverbrauchs» über die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Verhaltensmechanismen von Privathaushalten zum bewussteren und sparsameren Umgang mit Energie. Die Forschenden sind sich bewusst, dass sich mit den üblichen energiepolitischen Instrumenten wie Preisgestal­tung und Informationskampagnen eine zu wenig spürbare und nachhaltige Verhaltensänderung bewirken lässt. Wie soll ich jemanden dazu bringen, sein Licht gewissenhafter zu löschen, wenn auf der anderen Seite der Strasse der Prime Tower mit 32 hell erleuchteten Stockwerken die ganze Umgebung mit Licht überflutet?

Statt Kritik und Belehrung ist eine um­fassende, frühe und ehrliche Aufklärung das probate Mittel. Und der Aufruf zur Verhältnismässigkeit. Die Leute müssen erkennen, dass der amerikanische Weg des «more is better» ins Desaster führt. Niemand braucht zwei Kühlschränke in der Wohnung, niemand braucht in einem Land, in dem der nächste Laden zwei Schritte entfernt ist, eine Kühltruhe in der Grösse eines Campingwagens. Es lebt sich sehr gut, wenn nicht in jedem Zimmer der Wohnung ein Flat­TV flim­mert, jedes Mitglied des Haushaltes – Kinder inbegriffen – Tablet und Smart­phone besitzen. 

Dabei geht es nicht primär – oder wenigstens nicht nur – um die direkte Energie, die durch diese Geräte und Appa­rate verbraucht wird, sondern um die immense «Graue Energie», die vor allem technische Spielzeuge wegen ihrer modebedingten Kurzlebigkeit für Ent­wicklung, Herstellung, Transport und Entsorgung verbrauchen. 

Mehr Unterhaltungs­, Kommuni­kations­ und Informationstechnologie bedeutet zudem mehr Downloads von Filmen, Spielen, Musik oder News, was wiederum mehr und leistungsstär­kere Server bedinge, die Strom brauchen, in Räumen stehen, die gekühlt werden müssen; es braucht überall WLAN, Antennen, die Signale verbreiten und Verstärker, die diese Signale besser empfangbar machen. Nicht verbieten, keine Auflagen oder Einschränkungen für Menschen, die Tablet und Smart­phone brauchen, steht im Zentrum des Forschungsprojekts, sondern man will stattdessen aufzeigen, welchen Rattenschwanz an energieintensiven Installationen und Dienstleistungen der bedenkenlose Gebrauch der Geräte nach sich zieht. Der soziale Druck, der zu immer mehr und immer neueren Musik­, Kommunikations­ und Spielgeräten führt und die Kinder und die jungen Erwachsenen dazu verleitet, sie auch ununterbrochen zu nutzen, ist eher ein sozio­kulturelles Phänomen. Aber eben nicht ohne Folgen für die Energie­bilanz einer Familie. 

Das Forschungsprojekt leistet mit seinem Blick in die Haushalte Pionierarbeit, aber auch für die Forschen­den geht Energiebewusstsein im all­ gemeinen Raum weiter: Die Menschen sollten auch im «inter­individuellen» Bereich energiebewusster werden in ihren Ansprüchen an die Umwelt. Es muss nicht immer Schnee haben in Winterkurorten, dann braucht es auch keine Schneekanonen, die Strassen müssen nicht 24 Stunden hell beleuchtet sein. Natürlich sind erleuchtete Kirchen romantisch, aber vielleicht würden drei, vier Stunden am Abend auch rei­chen. Grundsätzlich sollen die Menschen realisieren, dass nicht die Machbarkeit von energiekonsumierendem Luxus das Mass aller Dinge ist, sondern dessen Sinn und Notwendigkeit. 

Verhaltensänderungen manifes­tieren sich grundsätzlich äusserst langsam und sind nur sehr schwer messbar. Am ehesten noch treten sie in sogenannt «disruptiven», umwälzenden Situationen zutage: wenn ein Kind zur Welt kommt, Ruhe braucht und den Tagesablauf auf den Kopf stellt, oder wenn die Menschen umziehen. Dann werden eingespielte Ver­haltensweisen einschneidend verändert.