Forschung zur kollektiven Finanzierung der Energiegewinnung, zu den Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform und den Handlungsalternativen bezüglich des europäischen Strombinnenmarkts liefert Entscheidungsgrundlagen für die politische Gestaltung der Schweizer Energiezukunft.
ZURICH
Für Lucas Bretschger ist klar: «Die Leistungen der Umwelt müssen mit einem korrekten Preisschild versehen werden.» Darunter dürfe aber die Wirtschaft nicht leiden und die Kosten müssten gerecht verteilt werden. Bretschger und seine Kollegen vom Lehrstuhl für Ressourcenökonomie an der ETH Zürich haben mithilfe von Modellen berechnet, wie unser Steuersystem so umgestaltet werden kann, dass es gleichzeitig die Umweltqualität verbessert und das wirtschaftliche Wachstum unterstützt. «Unsere Arbeit zeigt, dass es möglich ist, diese zwei auf den ersten Blick widersprüchlichen Ziele gleichzeitig zu erreichen», wie Bretschger ausführt. Die Einnahmen der Umweltabgaben müssen dafür zweckgebunden verwendet oder an die Öffentlichkeit zurückverteilt werden. Richtig umgesetzt, erzeugt eine derartige ökologische Steuerreform drei Dividenden: Erstens wird die Umweltqualität verbessert, zweitens das Steuersystem optimiert und drittens die Wirtschaftsentwicklung positiv beeinflusst. Im Rahmen ihres NFP-71-Projekts haben sich die Wissenschaftler auf die dritte Dividende fokussiert. Ihre numerischen Modelle zeigen dabei eine positive Wirkung auf das langfristige Wachstum. Bedingung ist allerdings, dass die Steuersätze zu Beginn nicht zu hoch angesetzt werden. «Richtig umgesetzt, kann die Schweizer Wirtschaft von einer kohlenstofffreien Wirtschaft profitieren», so das Fazit des Ökonomen.
Forschungsprojekt:
«Ökologische Steuerreform und endogenes Wachstum» (NFP 71)
BIRMENSDORF
Um ein komplexes Netzwerk, wie es unser Energiesystem darstellt, zu verändern, muss der Hebel an vielen Orten angesetzt werden. Ein Ansatzpunkt sind Energiegenossenschaften, wie Forschungsarbeiten von Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) um Irmi Seidl zeigen. «Energiegenossenschaften übernehmen oft die Rolle von Pionierinnen bei der Entwicklung der lokalen Energiepolitik. Die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und den Genossenschaften ist häufig sehr eng», erklärt Seidl. Bürgerinnen und Bürger, die sich finanziell an den Energiegenossenschaften beteiligen, engagieren sich häufig auch ehrenamtlich, sie bilden sich in Sachen Energie weiter und beteiligen sich an den politischen Entscheidungsprozessen. Dadurch wächst die Akzeptanz für Veränderungen in der ganzen Region. Im besten Fall entsteht eine Dynamik zugunsten erneuerbarer Energien, und zusätzliche Aktivitäten werden ausgelöst, wie der Aufbau von E-Mobilität-Infrastrukturen oder von weiteren Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie. Wichtig sind für Seidl aber auch die indirekten Effekte auf der Nachfrageseite, denn die Genossenschafterinnen und Genossenschafter entwickeln häufig auch einen bewussteren Umgang mit Energie. Beeindruckt hat Seidl, dass es sowohl den Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinden wie auch der Genossenschaften in erster Linie um die regionale Versorgung mit erneuerbarer Energie geht. Gewinne werden meist reinvestiert und die Genossenschafterinnen und Genossenschafter erwarten kaum Renditen.
Forschungsprojekt:
«Kollektive Finanzierung erneuerbarer Energien» (NFP 71)
ST. GALLEN
«Ein Abschluss genauso wie ein Nichtabschluss eines Stromabkommens mit der EU wird Gewinner und Verlierer produzieren», betont der Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft, Finanzrecht und Law and Economics der Universität St. Gallen, Peter Hettich: «Genauso werden sich daraus auch so oder so Herausforderungen und Chancen ergeben.» Um den Rahmen abstecken zu können, innerhalb dessen die Schweizer Energiepolitik – mit oder ohne Abkommen – gestaltet werden kann, hat der Jurist mit seinem Team und gemeinsam mit Kollegen aus der Politikwissenschaft und der Betriebswirtschaft in den letz-ten Monaten die rechtlichen und politischen Grundlagen aufgearbeitet. Dafür haben sie unter anderem auch zahlreiche Interviews mit Entscheidungsträgern in der Schweiz und in Brüssel geführt. Aufbauend auf diesen Untersuchungen werden die Wissenschaftler jetzt Szenarien entwickeln und Handlungsempfehlungen zuhanden der Politik formulieren. Dabei sieht Hettich seine Aufgabe allerdings nicht darin, das Erreichen eines bestimmten politischen Ziels zu ermöglichen. Seine Arbeit soll vielmehr die Qualität der Entscheidungsgrundlagen für die verschiedenen Handlungsalternativen verbessern: «Im besten Fall können wir die Rationalität der Politikentscheide erhöhen.» Persönlich ist Hettich überzeugt, dass die Zukunft so oder so denjenigen gehört, die Veränderungen offen und initiativ begegnen.
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