Ich mag Gedankenspiele. Eines davon heisst: «Wie sieht die Welt wohl in 100 Jahren aus?» Manchmal wünsche ich mir, ich könnte für einen ­kurzen Augenblick ein Jahrhundert überspringen und ­einen kleinen Einblick erhalten, wie wir uns in Zukunft als Gesellschaft organisieren. Es fühlt sich an, als ob wir momentan vor einem offenen Zeitfenster stehen, das uns dazu auffordert, die Weichen zu stellen, die unsere Zukunft verändern werden. Ich wage sogar zu behaupten, dass wir, ökologisch gesehen, vor einem Abgrund stehen. Ich spreche hier von Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung, ­Artensterben. Technisch gesehen, stehen wir kurz vor einem Quantensprung. Künstliche Intelligenz, Nanotechnologie und Gentechnik werden unsere Zukunft grundlegend verändern. Auch im Energiesektor bewegt sich einiges. Alternative Technologien wie Solar- und Windenergie sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche brodelt ein Potenzial, das nach einem Paradigmenwechsel schreit.

Um zu verstehen, wohin wir gehen, ist es ebenso ­hilfreich wie interessant, einen Blick in die Vergangenheit zu ­werfen. Vor rund hundert Jahren lebte und wirkte ein Mann ­namens Nikolai Tesla. Er war Erfinder, Physiker und Elektro­ingenieur und wir haben ihm unter anderem unser Wechselstromsystem zu verdanken. Unter seinen 280 Patenten befindet sich auch das erste Patent für Funktechnik. Seine grosse L­ebensaufgabe und Vision war die drahtlose Energie- und Nachrichtenübertragung. Leider kam es nie vollends zur Umsetzung dieser Vision. Tesla wollte einen Turm bauen, der mithilfe elektrischer Spannung Informationen und Energie via die Ionosphäre weltumspannend verfügbar machen sollte. Der Wardenclyffe Tower auf Long Island wurde nie fertiggestellt, da sich sein Investor J. P. Morgan während des Baus zurückzog, als er erfuhr, dass der Turm in erster Linie der Energieübertragung dienen sollte und nicht der Nachrichtenübertragung. Der Unternehmer und Privatbankier Morgan erhoffte sich finanzielle Vorteile bei der Übertragung von Börsennachrichten aus Europa und hatte offenbar wenig Interesse an neuen Energietechnologien.

Tesla hatte nicht nur futuristische Visionen für die Energieübertragung, sondern auch zur Energiegewinnung. Eines seiner Patente trug den Titel Apparat zum Gebrauch von Strahlungs­energie und sollte dazu dienen, «freie Energie» aufzufangen. Das Phänomen wird von der etablierten Wissenschaft nicht anerkannt, weil es den bekannten physikalischen Gesetzen widerspricht. Eine Maschine, welche diese sogenannte freie Energie anzapfen könnte, wäre faktisch ein Perpetuum mobile. Die Verfechter und vermeintlichen Erfinder solcher Technologien wiederum behaupten, dass ihre Erfindungen ignoriert und unterdrückt werden, weil sie den Status quo des Systems gefährden und niemand daran Interesse hat, eine Technologie zu verbreiten, mit der man kein Geld verdient, weil die Energie eben frei ist. 

Meine Physikkenntnisse reichen leider bei Weitem nicht aus, um abzuschätzen, welche Seite recht hat. Aber ich mag­ Gedankenspiele und bei der Vorstellung von freier Energie macht meine Fantasie Luftsprünge. Man stelle sich eine Welt vor, in der Elektrizität praktisch gratis ist und praktisch überall erhältlich. Wir stehen kurz vor der Einführung von 5G und dem «­Internet der Dinge». Die Vorstellung einer komplett digitalisierten Stadt scheint gar nicht mehr so fern und fremd. Punkto drahtloser und globaler Datenübertragung haben sich Teslas Visionen bewahrheitet. Die Zeit wird zeigen, ob seine ­Vision der drahtlosen Energieübertragung Spinnerei war oder ob er schlichtweg seiner Zeit voraus war. Apropos Veränderung: Der britische Autor und Biologie Rupert Sheldrake stellte die ketzerisch anmutende Frage in den Raum, warum sich nicht auch die Naturgesetze, nach denen sich das Uni­versum ordnet, organisiert und verändert, selbst verändern könnten. Man könnte sich ja zumindest erlauben, mal mit dem Gedanken zu spielen.