Haftungsrisiken sind der Hauptgrund für ein Umdenken der Wirtschaft in Sachen Energiepolitik. Fast ebenso wichtig ist für den ETH-Wissenschaftler David Bresch, der bis vor zwei Jahren bei Swiss Re die Bewertung von Umweltrisiken verantwortete, aber der persönliche Anspruch der Manager, etwas Positives zu hinterlassen.
Herr Bresch, welche Schlüsselerkenntnis hat Ihnen klargemacht, dass wir unseren Umgang mit Energie ändern müssen?
Mich als Schweizer hat eine Grafik von MeteoSchweiz am meisten beeindruckt, die aufzeigt, dass die mittlere Jahrestemperatur in unserem Land seit Mitte der 1980er-Jahre ohne Ausnahme immer über dem Durchschnittswert der Jahre von 1960 bis 1990 lag – und dabei immer weiter ansteigt. Auf diese Entwicklung haben Fachleute schon Mitte der 1990er-Jahre aufmerksam gemacht. Swiss Re hat beispielsweise bereits 1995 den Klimawandel als eine Realität anerkannt.
Die Politik handelt nach wie vor zögerlich. In letzter Zeit steigt aber der Druck aus der Wirtschaft. Über 400 global agierende Finanzkonzerne haben gemeinsam endlich griffige Massnahmen gefordert.
In der Wirtschaft wächst tatsächlich das Bewusstsein, dass ein Nichtstun die künftigen Renditen gefährdet. Dabei muss zwischen drei Risikoebenen unterschieden werden: Zum einen steigen die direkten Kosten etwa durch Wetterereignisse. Wichtiger sind jedoch die sogenannten Transitionsrisiken, wenn Unternehmen den Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verschlafen. Die Kosten werden umso höher, je später das Geschäft umgestellt wird. Die dritte und in meinen Augen derzeit am stärksten treibende Kraft ist aber das Haftungsrisiko. Wenn ich als Unternehmen nichts ändere, obwohl mir die Gefahren bekannt sind, kann ich im Nachhinein zur Verantwortung gezogen werden.
Die Wirtschaft hat aber trotzdem keine einheitliche Haltung.
Grob kann man sagen, je globaler ein Unternehmen funktioniert, je stärker es in seinem Bereich eine Technologieführerschaft innehat und je stärker seine Marke ist, umso entschiedener wird gehandelt. Diese Pioniere setzen einen Mechanismus in Gang, der nicht mehr umkehrbar ist.
Auf der anderen Seite haben aber auch viele Unternehmen ein Interesse daran, dass der Status quo bestehen bleibt, weil ihr Geschäftsmodell darauf beruht.
Es zählen aber nicht nur die wirtschaftlichen Faktoren. Meine Kontakte mit Wirtschaftskapitänen und vor allem auch mit Entscheidern aus Schweizer KMU haben mir gezeigt, dass mindestens 50 Prozent vom persönlichen Willen abhängt. Die grosse Mehrheit der Führungskräfte hat den Anspruch, nicht nur mit guten Geschäftszahlen, sondern auch persönlich einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Sie haben alle Freunde, eigene Kinder oder Enkel. Denen wollen sie – wie wir alle – auch in 20 Jahren mit einem guten Gewissen in die Augen schauen können.
Daniel Meierhans
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