Im vorfossilen Zeitalter lieferten Sonne, Holz, Wind und Wasser die Energie. Die Zukunft soll auf den «alten» Energieträgern aufgebaut werden. Fiktion? Möglichkeit? Bald Wirklichkeit?
Der Mensch will nicht frieren, und er will nicht hungern. Es waren die elementarsten Bedürfnisse, die ihn nach neuen und immer besseren Formen der Energiegewinnung suchen liessen. Seit die Technik des Feuerentzündens unseren Vorfahren ungeahnte Möglichkeiten bescherte, scheint sich das Rad gleich zu drehen: Der Mensch ist ein expansives Wesen, er trachtet vor allem danach, seinen Lebensstandard zu verbessern. Macht er dazu mehr Energie verfügbar, nutzt er auch mehr davon. Die Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte der optimierten Energiegewinnung: Mit dem Feuer kochte der Homo sapiens Nahrung, er schmolz Metalle für Werkzeuge, brannte Ton zur Nahrungsaufbewahrung und Ziegel für die Behausung, Wassermühlen ersetzten seine Muskelkraft – bis die Dampfmaschine die industrielle Produktionskraft entfesselte. Schliesslich liess Öl billige Energie sprudeln. Diese geballte Energie stiess eine 200-jährige Wachstumsphase an, später befördert durch Elektrizität im Überfluss aus Kernkraftwerken.
«Weisses Gold»
Auch nach der tiefgreifenden Wende zur Kohle und zur Dampfmaschine blieben aber Holz und Wasserkraft im Einsatz. Gerade in der Schweiz vollzog sich die Industrialisierung auf Basis dieser «alten» Energieträger. Energiehistorisch betrachtet sind wir technologisch und mental prädestiniert für die Weiterentwicklung traditioneller Energieformen.
Laut Energiestrategie 2050 soll uns der Weg in die Zukunft zurückführen zu Sonne, Wasser, Wind und Holz – aber unter Anwendung innovativster Methoden: Photovoltaikmodule sollen effizienter, multifunktionell und architektonisch ansprechender sein, und Ausbaupotenzial wird vor allem bei der Wasserkraft, aber auch bei der Holzverbrennung geortet.
Zu ihrer Blütezeit Anfang der 1970er-Jahre lieferte Wasserkraft über 90 Prozent der inländischen Stromproduktion. Heute sind es noch rund 59 Prozent. Ein grösserer Einsatz des «weissen Goldes» wäre durch eine nachhaltige Weiterentwicklung zu erreichen. Bestehende Wasserkraftwerke müssten unter ökologischen Gesichtspunkten saniert, ihre Leistung und Flexibilität gesteigert werden. Neue Speicherkraftwerke könnten in alpinen Regionen, beispielsweise in Gletscherrückgangsgebieten, errichtet werden.
Das grösste Hindernis für den verstärkten Einsatz der Wasserkraft aber ist der niedrige Strompreis im europäischen Stromhandel, der den Betrieb und damit die Investitionen in Wasserkraft unrentabel macht. Und so lange der Preis für die Emission von CO2 niedrig ist, ist die Wasserkraft benachteiligt. Entsprechende regulatorische Rahmenbedingungen könnten das Marktszenario positiv für die Wasserkraft verändern.
Anteil Holz am Endenergieverbrauch
Der Holzverbrauch in absoluten Zahlen ist in den letzten 100 Jahren praktisch unverändert. Das heisst aber auch: Der relative Anteil von Holz am Gesamtenergieverbrauch hat überproportional stark abgenommen. Lieferte Holz im Jahr 1910 17,2 Prozent zum Endenergieverbrauch, waren es 1950 noch 13 Prozent, 1980 gar nur 3,8 Prozent und 2016 noch 4,6 Prozent. Möglich wäre aber, diesen Anteil bis 2035 auf rund 6,8 Prozent zu erhöhen.
Quelle:
Bundesamt für Energie BFE
Unterschätzt und unternutzt
Der Energieträger Holz trägt heute nur rund 4 Prozent zum Gesamtenergieverbrauch bei und ist unternutzt. Der Anteil der Energieholznutzung liesse sich laut Thomas Nussbaumer, Leiter der Fachgruppe Bioenergie an der Hochschule Luzern, bis 2035 um 50 Prozent erhöhen. Wollte man Holz stärker und ressourcenschonender nutzen, könnte mit bereits verfügbaren Methoden die Verbrennungstechnik verbessert und damit der Schadstoffausstoss reduziert werden. Wichtige Massnahmen dazu sind etwa Feuerungen mit gestufter Verbrennung. Das in der Energiestrategie 2050 skizzierte Szenario, wonach der Holzverbrauch für die Wärmeerzeugung bis 2050 um knapp 60 Prozent abnimmt, hält Nussbaumer aus ressourcenökonomischer Sicht für nicht sinnvoll. Seiner Ansicht nach könnten ungenutzte Energieholzpotenziale für Heizungen, Fernwärme und Wärme-Kraft-Kopplung erschlossen werden. Die Stromerzeugung in grösseren Anlagen mit Holzvergasung und Kombikraftwerkstechnik würde Kosten senken. Durch Nutzung in Holzheizkraftwerken (wie zum Beispiel in Zürich Aubrugg), die bedarfsgerecht Wärme für das Fernwärmenetz liefern und gleichzeitig Strom erzeugen, kann Energieholz ganztägig zur Stromversorgung beitragen und die Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen vor allem im Winterhalbjahr ergänzen.
Es gibt somit eine ganze Reihe technisch machbarer Massnahmen, mit denen althergebrachte Energien in Zukunft verstärkt genutzt werden können. Da Effizienzsteigerungen aber oft zu Rebound- Effekten führen, also zu einem Mehrkonsum verleiten, stellt sich die Frage einer grundlegenden Änderung des Lebensstils zu mehr Suffizienz, d.h. einem achtsamen, sparsamen Umgang mit Energie. Inwieweit sich das expansive Wesen Mensch aber darauf einlässt, wird mit Hochdruck erforscht.
Forschungsprojekte:
Erneuerbare Energieträger zur Stromerzeugung (NFP 70)
Photovoltaik der nächsten Generation (NFP 70)
Die Zukunft der Schweizer Wasserkraft (NFP 70)
Wasserkraft und Geoenergie (NFP 70) / Subprojekt
«Adequate sediment handling at high-head hydropower
plants to increase scheme efficiency» (bit.ly/2GymIwp)
Holzfeuerung zur Energiegewinnung in Gebäuden (NFP 70)
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