Crans-Montana ist eher für seine Pistenbars und komfortablen Chalets als für seine grüne Energiestrategie bekannt. Touristen, die auf der Hochebene mit dem grossartigen Panorama ankommen, sind vielmehr überrascht angesichts der urbanen Zersiedelung und des starken Autoverkehrs. Doch der Schein trügt: Crans-Montana gehörte 2008 zu den ersten Skiorten, die das Label Energiestadt erhielten. Zudem hat sich der Ort dem Konvent der Bürgermeister angeschlossen, der seine Mitgliedsgemeinden verpflichtet, bis 2020 die «3×20»-Ziele zu erreichen (20 Prozent weniger CO2-Emissionen, 20 Prozent weniger Energieverbrauch und 20 Prozent mehr erneuerbare Energien).

Initiativen, die von einem starken politischen Willen zeugen

«Hinter diesen Initiativen steckt ein starker politischer Wille», so Yves-Roger Rey, Generalsekretär des Gemeindeverbands Crans-Montana. «Dieses Engagement geht eindeutig über das Tourismus-Marketing hinaus, denn Energie ist dabei kaum ein Thema.» Zu den zahlreichen realisierten Projekten im Ort, dessen Bevölkerungszahl mit der Tourismussaison zwischen 15 000 und 50 000 variiert, gehört zum Beispiel die Verbesserung des öffentlichen Verkehrsnetzes. «Bei Bussen hat das Passagieraufkommen um 35 Prozent zugenommen», erzählt Yves-Roger Rey. Diverse gemeindeeigene Gebäude wurden saniert und teilweise mit Solaranlagen ausgestattet, mehrere Fernwärmeprojekte realisiert. «Der Anteil an erneuerbaren Energien hat deutlich zugenommen, vor allem im Bereich Wärme», so Energiestadtberaterin Sonia Morand.

In Crans-Montana hat die Energiewende begonnen. Doch bis die ehrgeizigen Ziele erreicht sind, sind noch einige Hindernisse zu überwinden. Wie bei allen Skiorten sind die Seilbahnen grosse Stromverbraucher. Auch wenn die moderneren Anlagen in Sachen Energieeffizienz auf dem neuesten Stand sind, bleibt noch einiges zu tun. Die grösste Herausforderung stellt laut Sonia Morand der Gebäudebestand dar, der zu 70 Prozent aus Zweitwohnungen besteht. «Zahlreiche Gebäude stammen aus den 1960er-Jahren und die Besitzer leben oft im Ausland. Einige von ihnen kommen gar nie mehr nach Crans-Montana. Es handelt sich um ‹kalte Betten›, die aber häufig permanent geheizt werden.»

Verhalten als Unsicherheitsfaktor

Einige Fernwärmeprojekte trafen auf grossen Widerstand von Anwohnern. Handelt es sich dabei um das «Nimby»-Phänomen («Not in my backyard»)? «Es ist doch etwas komplexer», erklärt Isabelle Stadelmann, Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Bern. Es hängt von diversen Faktoren ab, ob die Lokalbevölkerung Infrastrukturen für erneuerbare Energien akzeptiert oder nicht. Dazu gehören das Ausmass, in dem die Bevölkerung beim Projekt einbezogen wird, die vorherrschende politische Ideologie oder die Ablehnung bestimmter Technologien. Wenn in einer Region die Landschaft von besonderem Wert ist, wie beispielsweise in Berggebieten, kann dies ebenfalls eine Rolle spielen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist ein grosser Unsicherheitsfaktor bei der Neuausrichtung des Energiesystems.

Einen weiteren Unsicherheitsfaktor stellt das Verhalten der Bevölkerung beim Energieverbrauch dar. Gibt es in diesem Bereich nichtmonetäre Fördermassnahmen, die auch Touristen einbeziehen? Ja, meint Andreas Diekmann, Soziologieprofessor an der ETH Zürich. «Wie bei anderen sozialen Gruppen zeigen moralisierende Aufforderungen auch bei Touristen wenig Wirkung. Eine der nichtmonetären Motivationsmassnahmen, die am besten funktionieren, ist der Vergleich als starke soziale Norm. Hotels können den Gast zum Beispiel darauf hinweisen, dass 90 Prozent der Gäste ihre Wäsche mehrere Tage lang benutzen, und ihnen vorschlagen, dies auch zu tun. Sie können auch Systeme installieren, welche automatisch Energieverschwendung verhindern, beispielsweise Magnetkarten, welche das Zimmer aufschliessen und gleichzeitig den Strom einschalten. Solche Massnahmen können den Verbrauch jedoch nur um einige Prozent senken.»

Die alte Energiewelt wird sich also nicht ohne Weiteres durch die neue ersetzen lassen. Aus diesem Grund, erklärt Isabelle Stadelmann, wird der Begriff «Wende» nicht mehr so oft für diesen Übergangsprozess benutzt: «Wir wechseln nicht von heute auf morgen den Kurs! Es handelt sich vielmehr um einen langsamen Wandel.» Dazu braucht es Anpassungen der Infrastruktur, der Ansichten und Alltagsgewohnheiten über mehrere Generationen.